Dieses Kapitel enthält wieder einen Reichtum an heterogenen Elementen
Und ja, die Figuren bleiben unzulängliches Klischee. Die Figur des Hans ist so funktionierender Dienerautomat an der Handlung - ohne irgendetwas Eigenes. Aber eigentlich ist der Professor genauso aus ein paar Klischees zusammengeklebt - und Axel ist der typische junge Held/Mann. Ohne Charakter zu sein, darf er als Projektionsraum erleben und berichten. Die Beschreibung als Trio ohne Eigenschaften, mit Held, verrücktem Wissenschaftler und Narr/Diener passt ganz gut.
Von den Figuren ist nicht viel zu erwarten, aber es gibt wieder diese naturwissenschaftlichen Hintergründe mit Referenzen zu Beobachtungen anderswo, was die Temperaturentwickliung beim Abstieg angeht (das frz. Original verschreibt hier die Ortsnamen als 'Yakoust en Sibérie' und 'Kitz-Bahl dans le Tyrol, & celles de Wuttemberg en Bohême', was die dt. Übersetzung glättend durch Namen realer Orte wiedergibt). Es gibt wieder Verweis auf Theorien und Berechnungen und ein einfache Mahlzeit im Biwak, während gleichzeitig, die Umgebung nun schon völlig anomal und auch beängstigend wirken kann.
Mitten im Text und dem Spiel mit dem Verlust des natürlichen Lichts und seiner Ersetzung durch die künstliche Beleuchtung, gibt es dann plötzlich so einen Verneschen Abschnitt, für den mir keine rechte Formel einfällt. Sehr bildlich aber auch dynamisch, kein _snapshot_ als Erinnerungsbild, sondern so ein sehr rascher kurzer _clip_ aus einem Film, der als Traumfilmsequenz abläuft.
Eigentlich ist das hier der erste in diesem Roman.
Ich meine diesen Abschnitt im Original :
>>La lave, à la dernière éruption de 1229, s'était
frayé un passage à travers ce tunnel. Llle tapis-
sait l'intérieur d'un enduit épais & brillant; la
lumière éleεtrique s'y réfléchissait en centuplant
Soi, intensité.
Toute la difficulté de la route consistait à ne pas
glisser trop rapidement sur une pente inclinée a
tluarante-cinq degrés environ; heureusement, cer-
taines érosions, quelques boursouflures, tenaient
lieu de marches, & nous n'avions qu'à descendre en
laissant filer nos bagages retenus par une longue
corde.
Mais ce qui se faisait marche sous nos pieds de-
Venait stalactites sur les autres parois; la lave, po-
reuse en de certains endroits, présentait de petites
ampoulesarrondies des cristaux de quartz opaque,
Ornés de limpides gouttes de verre & suspendus à
la voùte comme des lustres, semblaient s'allumer à
notre passage. On eût dit que les génies du gouffre
illuminaient leur palais pour recevoir les hôtes de
la terre.
C'est magnifique! m'écriai-je involontairement.
Quel spectacle, mon oncle Admirez-vous ces
unances de la lave qui vont du rouge brun au jaune
taux qui nous apparaissent comme des globes
lumineux?
<<
Bisher kamen solche dynamischen Beschreibungen nur als Tableaus zu
den noch gewöhnlichen Landschaften vor. Hier ist es aber anders,
weil Verne etwas beschreibt, das so kaum einer oder keiner
seiner Zeitgenossen gesehen haben kann. Die Entwicklung
künstlicher Lichtquellen im 19.Jahrhundert mit Gaslicht und
später elektrisches Licht war tatsächlich schon selbst eine grosse
wunderbare Umwälzung, aber Verne überhöht hier die
Leistungsfähigkeit der Rühmkorffschen Lampen
und erzeugt mit den Lichteffekten eine Epiphanie wie
auf einer Theaterbühne ein illuminiertes Märchenbild.
Gleichzeitig konnte niemand die erloschenen Schlote eines Vulkans
zu der Zeit wirklich hinabsteigen und etwas über die Gesteinsformationen
im Inneren wissen - das heisst im Gegensatz zu den
Landschaften ist das hier reine leuchtende Phantasmagorie.
An der letzten Pforte zur Unterwelt steht für Axel nun - etwas unscheinbar in der deutschen Übersetzung - ein Zitat:
>>
Im Augenblick, als wir uns hinein begaben, blickte ich empor, und sah zum letztenmal durch den unermeßlichen Tubus den Himmel Islands,
»den ich nicht wieder sehen sollte.«
<<
Im frz. Original :
>>
Au moment de m'engouffrer dans ce couloir obscur, je relevai la tête, & j'aperçus une dernière fois,
par le champ de l'immense tube, ce ciel de l'Islande
« que je ne devais plus jamais revoir. »
<<
Das Zitat lässt sich nicht so recht nachweisen und klingt wie ein Halbzitat
aus einem traurigen Vaudevilleliedchen, aber man glaubt, dass es sich auf
Sophokles' _Antigone_-Tragödie bezieht
(cf. Terry Harpold, T. Un intertexte sophocléen du voyage au centre de la terre. Réponse d'auteur. Bulletin de la Société Jules Verne, 2005, Nr. 153, S. 33-38.) und zwar auf diese Stelle:
'Antigone
Seht, ihr des Vaterlandes Bürger,
Den letzten Weg gehn mich
Und das letzte Licht
Anschauen der Sonne.
Und nie das wieder? Der alles schweigende Todesgott,
Lebendig führt er mich
Zu des Acherons Ufer, und nicht zu Hymenäen
Berufen bin ich, noch ein bräutlicher singt
Mich, irgendein Lobgesang, dagegen
Dem Acheron bin ich vermählt.'
Sophokles, Antigone, III,2 in der Übersetzung von Hölderlin.
In frz. Übersetzungen bis 1864, die Verne gekannt haben könnte,
findet sich diese Klage Antigones in vielerlei Gestalt.
Der lichte Himmel (über Island) kommt aber so nicht vor,
sondern nur Licht und Sonne und dann der vorausgeschaute
Gang in die Unterwelt als Hochzeit mit Gott Pluto.
Da dieses Kapitel jetzt viel Bezug zu Licht hat hier Beispiele:
Title : ... Sophocle. Antigone (expliquée littéralement et annotée par M. Benloew,... et traduite en français par M. Bellaguet,...)
Author : Sophocle (0496?-0406 av. J.-C.). Auteur du texte
Publisher : L. Hachette (Paris)
Publication date : 1864
Contributor : Bellaguet. Traducteur
Contributor : Benloew, Louis (1818-1900). Éditeur scientifique
Title : Théâtre de Sophocle, contenant les tragédies de ce poëte qui n'avaient pas encore été traduites [Les Trachiniennes, Ajax furieux, Oedipe à Colone, Antigone], pour servir de Supplément au théâtre des Grecs, du Père Brunoy, par M. Dupuy,... Nouvelle édition
Author : Sophocle (0496?-0406 av. J.-C.). Auteur du texte
“ Je tiefer wir einen Gegenstand wissenschaftlich erforschen, je weiter die technische Entwicklung foranschreitet, desto mehr nähert sie sich für den Normalbürger wieder der Magie an, das Licht der Aufklräung fragmentiert und “zerstreut sich in einen Funkenregen”. — Das ist eine der Prämissen für Walter Benjamins Passagen-Projekt (& in gewisser Weise auch für Adorno & Horkheimers Dialektik der Aufklärung). Ich lese gerade sehr viel von & zu Benjamin und bin low key genervt, dass sein Gewährsautor Beaudelaire ist, Verne aber nur sehr am Rande mal vorkommt. Da gibt’s schon auch Gründe für, aber trotzdem, Beaudelaire schon auch einfach sehr berechenbares Bohème-Klischee .
Meiner schwachen Erinnerung nach kommt Charles Fourier als phantastischster Frühsozialist ziemlich oft in den Notizen zum Passagen-Projekt vor. Ich glaube dessen Visionen einer zukünftigen Welt mit Limonadenmeeren und Aurora Borealis sollte irgendwie mit Jules Vernes Phantastik zu tun haben. Da ist eine ähnliche planetarische Sicht auf die Welt (es gibt auch von Doré so ganz verrückte Bilder mit Brücken zwischen Planeten) und die Idee, dass die Menschheit nun darangehen wird, den Planeten transformieren zu können. Die Atmosphäre dieser Ideen und Vernes umfassende Geographie der Erde und darüber hinaus mit durchaus schon grosstechnischen Methoden (Ballone, Riesenkanonen, Unterseeboote) ähneln sich wohl, selbst wenn Vernes politische Ansichten in andere Richtung liefen, so er denn welche hatte.
Irgendwo fand sich auch eine Bemerkung, dass Verne wenigstens Sympathien für die Ideen Saint-Simons hatte und via seinen Verleger Hetzel war er mit der republikanischen Linken doch wohl in gewissem Kontakt. Keine Ahnung ob das wirklich belegbar ist.
Mir geht es mit Hans anders, aber aus zwei Gründen, die (mindestens bisher) nicht im Text liegen:
Erstens lese ich mit der Erwartung, dass es sich um Abenteuerliteratur handelt und die Genrekonvention erfordert, dass Gruppenmitglieder mit verschiedenen herausragenden Kompetenzen zusammenarbeiten, um Großes zu vollbringen. (TVTropes schlägt den Begriff "Power Trio" vor und arbeitet diverse Blaupausen raus: https://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/Main/PowerTrio(
Da Hans Einführung zunächst nichts verbindliches zu seinen Fähigkeiten gesagt hat ("Eiderentenjäger" ...) lese ich die Beschreibungen der stoischen Reaktionen und des katzengleichen Kletterns so, dass sich jetzt herausstellt, dass er körperlich extrem leistungsfähig und unerschrocken ist.
Zweitens erinnere ich mich aus meiner Erstlektüre vor Jahrzehnten noch sehr lebhaft daran, dass Hans (im Gegensatz zu Axel ...) noch einiges reißt. (TVTropes schlägt übrigens vor, in dieser Phase von einem "Comic Trio" auszugehen - in dem Hans dann tatsächlich als Narr aufträte - das aber später gebrochen wird https://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/Literature/JourneyToTheCenterOfTheEarth).
Am Rande: Bei allen Details zum Licht wieder kein Wort zu Gerüchen und Luftqualität. Temperatur kommt nur in abstrakten Angaben vor, Geschmack in der Benennung der verzehrten Lebensmitteln. Wie viel besser könnten wir uns einfühlen, wenn ein paar Worte dazu fielen, wie es in einem Lavagang riecht, der seit Jahrhunderten nicht betreten wurde ...
Dieses Kapitel enthält wieder einen Reichtum an heterogenen Elementen
Und ja, die Figuren bleiben unzulängliches Klischee. Die Figur des Hans ist so funktionierender Dienerautomat an der Handlung - ohne irgendetwas Eigenes. Aber eigentlich ist der Professor genauso aus ein paar Klischees zusammengeklebt - und Axel ist der typische junge Held/Mann. Ohne Charakter zu sein, darf er als Projektionsraum erleben und berichten. Die Beschreibung als Trio ohne Eigenschaften, mit Held, verrücktem Wissenschaftler und Narr/Diener passt ganz gut.
Von den Figuren ist nicht viel zu erwarten, aber es gibt wieder diese naturwissenschaftlichen Hintergründe mit Referenzen zu Beobachtungen anderswo, was die Temperaturentwickliung beim Abstieg angeht (das frz. Original verschreibt hier die Ortsnamen als 'Yakoust en Sibérie' und 'Kitz-Bahl dans le Tyrol, & celles de Wuttemberg en Bohême', was die dt. Übersetzung glättend durch Namen realer Orte wiedergibt). Es gibt wieder Verweis auf Theorien und Berechnungen und ein einfache Mahlzeit im Biwak, während gleichzeitig, die Umgebung nun schon völlig anomal und auch beängstigend wirken kann.
Mitten im Text und dem Spiel mit dem Verlust des natürlichen Lichts und seiner Ersetzung durch die künstliche Beleuchtung, gibt es dann plötzlich so einen Verneschen Abschnitt, für den mir keine rechte Formel einfällt. Sehr bildlich aber auch dynamisch, kein _snapshot_ als Erinnerungsbild, sondern so ein sehr rascher kurzer _clip_ aus einem Film, der als Traumfilmsequenz abläuft.
Eigentlich ist das hier der erste in diesem Roman.
Ich meine diesen Abschnitt im Original :
>>La lave, à la dernière éruption de 1229, s'était
frayé un passage à travers ce tunnel. Llle tapis-
sait l'intérieur d'un enduit épais & brillant; la
lumière éleεtrique s'y réfléchissait en centuplant
Soi, intensité.
Toute la difficulté de la route consistait à ne pas
glisser trop rapidement sur une pente inclinée a
tluarante-cinq degrés environ; heureusement, cer-
taines érosions, quelques boursouflures, tenaient
lieu de marches, & nous n'avions qu'à descendre en
laissant filer nos bagages retenus par une longue
corde.
Mais ce qui se faisait marche sous nos pieds de-
Venait stalactites sur les autres parois; la lave, po-
reuse en de certains endroits, présentait de petites
ampoulesarrondies des cristaux de quartz opaque,
Ornés de limpides gouttes de verre & suspendus à
la voùte comme des lustres, semblaient s'allumer à
notre passage. On eût dit que les génies du gouffre
illuminaient leur palais pour recevoir les hôtes de
la terre.
C'est magnifique! m'écriai-je involontairement.
Quel spectacle, mon oncle Admirez-vous ces
unances de la lave qui vont du rouge brun au jaune
taux qui nous apparaissent comme des globes
lumineux?
<<
Bisher kamen solche dynamischen Beschreibungen nur als Tableaus zu
den noch gewöhnlichen Landschaften vor. Hier ist es aber anders,
weil Verne etwas beschreibt, das so kaum einer oder keiner
seiner Zeitgenossen gesehen haben kann. Die Entwicklung
künstlicher Lichtquellen im 19.Jahrhundert mit Gaslicht und
später elektrisches Licht war tatsächlich schon selbst eine grosse
wunderbare Umwälzung, aber Verne überhöht hier die
Leistungsfähigkeit der Rühmkorffschen Lampen
und erzeugt mit den Lichteffekten eine Epiphanie wie
auf einer Theaterbühne ein illuminiertes Märchenbild.
Gleichzeitig konnte niemand die erloschenen Schlote eines Vulkans
zu der Zeit wirklich hinabsteigen und etwas über die Gesteinsformationen
im Inneren wissen - das heisst im Gegensatz zu den
Landschaften ist das hier reine leuchtende Phantasmagorie.
Das natürliche Licht wird in diesem Kapitel durch das künstliche
der Rühmkorffschen Apparate ersetzt, aber die Reisenden müssen
sich auch um Wasser und sogar um die Luft Sorgen machen:
>>
Wir kommen langsam abwärts, und unsere Lungen gewöhnen sich,
eine dichtere Atmosphäre einzuathmen.
<<
Diese dickere Atmosphäre hat eine Entsprechung in einem anderen Roman,
nämlich Alexandre Dumas' 'Isaac Laquedem', den Verne kannte.
Der unsterbliche Titelheld, _Isaac Laquedem_ ist ein frz. Name für den Ewigen Juden,
unternimmt mit Appolonius von Tyana von den phlegräischen Feldern aus
eine ähnliche Fahrt in die Unterwelt, nachdem er am Avernischen See
die Cumäische Sibylle befragt hat.
An der Stelle heisst es:
'Puis tous deux continuèrent de mar-
cher; mais plus, ils avançaient, plus l'air
devenait épais et lourd, plus la chaleur
devenait intense.'
['Dann setzen die beiden ihren Fussmarsch fort; aber
je weiter sie vordrangen, um so dicker und drückender
wurde die LUft und um so stärker wurde die Hitze']
[https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k5543409b/f285.item
Title : Isaac Laquedem. T. 5, p.281f
Author : Dumas, Alexandre (1802-1870).
Publisher : (Paris)
Publication date : 1853
Set notice : http://catalogue.bnf.fr/ark:/12148/cb303729218 ]
Allerdings ist es für diese beiden Reisenden nicht so leicht -
dort am Avernischen See [https://de.wikipedia.org/wiki/Lago_d%E2%80%99Averno]
scheint Humphry Davys Theorie nicht zu stimmen und es
wird auf der Höllenfahrt doch heiss. Appolonius muss deshalb
zurückbleiben, aber der unsterbliche Isaac Laquedem kann natürlich
weiter bis zu den Parzen gehen.
Dass Jules Verne dieses Vorbild benutzte unterliegt keinem Zweifel.
Die deutsche Übersetzung spart nach dem >> .. Nur vorwärts! vorwärts!«<<
des Onkels zwei Sätze mit lateinischem Zitat aus, wohl weil es ein
Gemeinplatz ist : '-Se méfier des citations en latin, elles
cachent toujours quelque chose de leste'.
Jedenfalls ist der frz. Originaltext länger und enthält einen Verweis
auf Vergils Aeneis, worauf auch Dumas' Laquedem anspielt:
>>Il aurait dit plus justement « glissions, » car nous'
nous laissions aller sans fatigue sur des pentes
inclinées. C'était le « facilis descensus Averni,
de Virgile.<<
['Man hätte besser gesagt "wir glitten", denn wir liessen uns
ohne Anstrengung die geneigten Abhänge hinunter. Das war das
'leicht ist es am Avernus' des Vergil.']
An der Stelle in der Aeneis spricht die Cumäische Sibylle:
'Und es begann und sprach die Seherin: »Sprosse der Götter,
Troer, Anchises'Sohn, leicht geht's hinab zum Avernus,
Tag und Nach gähnt das Tor des finsteren Herrschers.
Aber gewendeten Schritts ins Reich der Lüfte zu kehren,
Ist ein gefährliches Werk. ...«'
(6.Buch, 125ff, Übersetzung R.A.Schröder)
Wenigstens eine andere Unsterbliche macht sich
Sorgen um den späteren Aufstieg der Reisenden -
und wie es am Avernus aussieht, kann man auf einem Bild von Turner sich
hier ansehen: https://collections.britishart.yale.edu/catalog/tms:5010
Im _Isaac Laquedem_ (p.261) heisst es entsprechend:
'Cette entrée de la voie mystérieuse
rappelait d'abord le facilis descensus
Avenu de Virgile ; la première pente
était douce, et, quoique l'on sentit qu'elle
s'enfonçait vigoureusement dans la terre,
n'avait rien de trop effrayant.'
[https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k5543409b/f266.image#
'Diese Eingang zu dem geheimnisvollen Pfad erinnerte
zunächst an das _facilis descensus Averni_ des Vergil:
der erste Abstieg war sanft und, obwohl man wahrnahm wie er
gewaltig in das Erdinnere vordrang,
hatte er nichts furchterregendes.']
An der letzten Pforte zur Unterwelt steht für Axel nun - etwas unscheinbar in der deutschen Übersetzung - ein Zitat:
>>
Im Augenblick, als wir uns hinein begaben, blickte ich empor, und sah zum letztenmal durch den unermeßlichen Tubus den Himmel Islands,
»den ich nicht wieder sehen sollte.«
<<
Im frz. Original :
>>
Au moment de m'engouffrer dans ce couloir obscur, je relevai la tête, & j'aperçus une dernière fois,
par le champ de l'immense tube, ce ciel de l'Islande
« que je ne devais plus jamais revoir. »
<<
Das Zitat lässt sich nicht so recht nachweisen und klingt wie ein Halbzitat
aus einem traurigen Vaudevilleliedchen, aber man glaubt, dass es sich auf
Sophokles' _Antigone_-Tragödie bezieht
(cf. Terry Harpold, T. Un intertexte sophocléen du voyage au centre de la terre. Réponse d'auteur. Bulletin de la Société Jules Verne, 2005, Nr. 153, S. 33-38.) und zwar auf diese Stelle:
'Antigone
Seht, ihr des Vaterlandes Bürger,
Den letzten Weg gehn mich
Und das letzte Licht
Anschauen der Sonne.
Und nie das wieder? Der alles schweigende Todesgott,
Lebendig führt er mich
Zu des Acherons Ufer, und nicht zu Hymenäen
Berufen bin ich, noch ein bräutlicher singt
Mich, irgendein Lobgesang, dagegen
Dem Acheron bin ich vermählt.'
Sophokles, Antigone, III,2 in der Übersetzung von Hölderlin.
In frz. Übersetzungen bis 1864, die Verne gekannt haben könnte,
findet sich diese Klage Antigones in vielerlei Gestalt.
Der lichte Himmel (über Island) kommt aber so nicht vor,
sondern nur Licht und Sonne und dann der vorausgeschaute
Gang in die Unterwelt als Hochzeit mit Gott Pluto.
Da dieses Kapitel jetzt viel Bezug zu Licht hat hier Beispiele:
Title : ... Sophocle. Antigone (expliquée littéralement et annotée par M. Benloew,... et traduite en français par M. Bellaguet,...)
Author : Sophocle (0496?-0406 av. J.-C.). Auteur du texte
Publisher : L. Hachette (Paris)
Publication date : 1864
Contributor : Bellaguet. Traducteur
Contributor : Benloew, Louis (1818-1900). Éditeur scientifique
Relationship : http://catalogue.bnf.fr/ark:/12148/cb38690926j
Interlinearübersetzung
'Antigone.
Regardez-moi, ô citoyens de la terre paternelle,
allant mon dernier chermin,
et voyant le dernier éclat du soleil, et jamais ensuite;
mais Pluton, qui assoupit-tous conduit moi vivante
vers le rivage de l'Achéron,
ni participant au mariage; ni aucun chant nuptial n'a chanté jamais moi;
mais j'épouserai l'Achéron.'
[https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b52000912p/f101.item
und entsprechende Prosaübersetzung:]
'Antigone. Citoyens de Thèbes ma patrie, voyez Antigone entrer
dans le sentier fatal, et pour la dernière fois contempler la clarté du soleil:
jen ne le verrai plus! Le dieu des enfers, dont tout est la proie, me conduit
vivante aux rives de l'Achéron, avant que j'aie goûté les douceures de l'hymen,
avant que les chants d'hyménée aient retenti pour moi; l'Achéron sera mon epoux.'
https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b52000912p/f101.item
Oder in einer eleganteren Übersetzung aus dem 18.Jh.:
'ANTIGONE.
Chers Citoyens, jettez les yeux pour la dernière fois
sur une Princesse infortunée. Oui, c’est pour la dernière
fois que je vois ia lumière du jour. Pour jamais l’avide
Pluton me conduit vivante aux sombres bords. Mon des-
tin m’a refusé les douceurs de l’hymen : jamais chant
nuptial ne fut formé en mon honneur. L’Achéron est
l'unique époux qui m’est reservé.'
[https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k3148025/f348.image.r=acheron
Title : Théâtre de Sophocle, contenant les tragédies de ce poëte qui n'avaient pas encore été traduites [Les Trachiniennes, Ajax furieux, Oedipe à Colone, Antigone], pour servir de Supplément au théâtre des Grecs, du Père Brunoy, par M. Dupuy,... Nouvelle édition
Author : Sophocle (0496?-0406 av. J.-C.). Auteur du texte
Publisher : Costard (Paris)
Publication date : 1773
Contributor : Dupuy. Traducteur
Relationship : http://catalogue.bnf.fr/ark:/12148/cb38690915w
]
und eine Übersetzung von 1852 :
'ANTIGONE.
Voyez-moi, citoyens de ma ville natale,
Entrer dans mon dernier chemin !
Ce suprême soleil qui luit sur mon front pâle,
Sur ma tombe il luira demain...
L'arbitre impérieux de toute destinée
M'entraîne, hélas! aux sombres bords...
Pour moi point de festons, point de chants d'hyménée...
Mon époux, c'est le dieu des morts!'
[https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k9618249z/f574.item
Title : Théâtre complet de Sophocle, suivi des fragments de ses drames perdus.
Traduction nouvelle en vers français par Théodore Guiard,...
Author : Sophocle (0496?-0406 av. J.-C.). Auteur du texte
Publisher : Dezobry et E. Magdeleine (Paris)
Publication date : 1852
Contributor : Guiard, Théodore (1814-1855). Traducteur
Relationship : http://catalogue.bnf.fr/ark:/12148/cb31384442p]
“ Je tiefer wir einen Gegenstand wissenschaftlich erforschen, je weiter die technische Entwicklung foranschreitet, desto mehr nähert sie sich für den Normalbürger wieder der Magie an, das Licht der Aufklräung fragmentiert und “zerstreut sich in einen Funkenregen”. — Das ist eine der Prämissen für Walter Benjamins Passagen-Projekt (& in gewisser Weise auch für Adorno & Horkheimers Dialektik der Aufklärung). Ich lese gerade sehr viel von & zu Benjamin und bin low key genervt, dass sein Gewährsautor Beaudelaire ist, Verne aber nur sehr am Rande mal vorkommt. Da gibt’s schon auch Gründe für, aber trotzdem, Beaudelaire schon auch einfach sehr berechenbares Bohème-Klischee .
Meiner schwachen Erinnerung nach kommt Charles Fourier als phantastischster Frühsozialist ziemlich oft in den Notizen zum Passagen-Projekt vor. Ich glaube dessen Visionen einer zukünftigen Welt mit Limonadenmeeren und Aurora Borealis sollte irgendwie mit Jules Vernes Phantastik zu tun haben. Da ist eine ähnliche planetarische Sicht auf die Welt (es gibt auch von Doré so ganz verrückte Bilder mit Brücken zwischen Planeten) und die Idee, dass die Menschheit nun darangehen wird, den Planeten transformieren zu können. Die Atmosphäre dieser Ideen und Vernes umfassende Geographie der Erde und darüber hinaus mit durchaus schon grosstechnischen Methoden (Ballone, Riesenkanonen, Unterseeboote) ähneln sich wohl, selbst wenn Vernes politische Ansichten in andere Richtung liefen, so er denn welche hatte.
Irgendwo fand sich auch eine Bemerkung, dass Verne wenigstens Sympathien für die Ideen Saint-Simons hatte und via seinen Verleger Hetzel war er mit der republikanischen Linken doch wohl in gewissem Kontakt. Keine Ahnung ob das wirklich belegbar ist.
Mir geht es mit Hans anders, aber aus zwei Gründen, die (mindestens bisher) nicht im Text liegen:
Erstens lese ich mit der Erwartung, dass es sich um Abenteuerliteratur handelt und die Genrekonvention erfordert, dass Gruppenmitglieder mit verschiedenen herausragenden Kompetenzen zusammenarbeiten, um Großes zu vollbringen. (TVTropes schlägt den Begriff "Power Trio" vor und arbeitet diverse Blaupausen raus: https://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/Main/PowerTrio(
Da Hans Einführung zunächst nichts verbindliches zu seinen Fähigkeiten gesagt hat ("Eiderentenjäger" ...) lese ich die Beschreibungen der stoischen Reaktionen und des katzengleichen Kletterns so, dass sich jetzt herausstellt, dass er körperlich extrem leistungsfähig und unerschrocken ist.
Zweitens erinnere ich mich aus meiner Erstlektüre vor Jahrzehnten noch sehr lebhaft daran, dass Hans (im Gegensatz zu Axel ...) noch einiges reißt. (TVTropes schlägt übrigens vor, in dieser Phase von einem "Comic Trio" auszugehen - in dem Hans dann tatsächlich als Narr aufträte - das aber später gebrochen wird https://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/Literature/JourneyToTheCenterOfTheEarth).
Am Rande: Bei allen Details zum Licht wieder kein Wort zu Gerüchen und Luftqualität. Temperatur kommt nur in abstrakten Angaben vor, Geschmack in der Benennung der verzehrten Lebensmitteln. Wie viel besser könnten wir uns einfühlen, wenn ein paar Worte dazu fielen, wie es in einem Lavagang riecht, der seit Jahrhunderten nicht betreten wurde ...