10 Kommentare
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Avatar von Matthias

Ja, nee. ich habe in den letzten Kapiteln zwar hie und da für freundlichere Lesarten der Hans-Figur geworben, aber hier geht es mir wie dir, das ist einfach nur unangenehm.

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Avatar von Roman Lach

Ich habe denselben Eindruck wie Berit Glanz und einige hier, dass mir viele Passagen aus meiner Kindheitslektüre überhaupt nicht erinnetlich sind, und ich denke mittlerweile, dass ich damals eine stark gekürzte Fassung gelesen haben muss. Es war die Fischer-Taschenbuchausgabe. Ich werde mal nachschauen, wenn ich in Berlin bin, ob das zutrifft. Kommt mir in der Erinnerung so vor als sei das Buch auch ziemlich dünn gewesen.

Hier offenbart der Professor übrigens doch auch wieder seine dämonische Seite. Und meiner Erinnerung nach gibt es unter den Entdeckern bei Jules Verne da keinen einzigen, der eine Ausnahme machen würde.

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Avatar von Ulrich K Rößler

Für die deutschsprachigen Vernianer war die Qualität der Übersetzungen offenbar ein großes Thema und es gibt detaillierte Bibliografien. Jedenfalls sind die alten Fischer TB == Ausgaben von Bärmeier & Nikel wohl alle neu übersetzte oder modernisierte und stark überarbeitete gekürzte Texte, s. https://www.jules-verne-club.de/wordpress/wp-content/uploads/Liste_mod_Uebers.pdf.

Dass sind dann wohl so Cover-Versionen

Gut, dass unsere Reiseleiterin die historische Übersetzung aus dem 19.Jahrhundert bevorzugt hat.

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Avatar von Berit Glanz

Das erklärt wirklich einiges, danke für die Info! Wie schön es dann wieder bzw. neu und näher am Original zu lesen. Ich lese gerade immer auch auf Französisch mit, das ging als Kind natürlich nicht :)

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Avatar von Ulrich K Rößler

Die Charakterisierung der alten Fischer TB-Werkausgabe als Coverversion kann man durchaus auch positiv sehen - etwa als moderne Adaption in pädagogischer Absicht. Nach Durchsicht der überkommenen Bändchen auf den Regalen ganz hinten - eine erstaunliche Menge leicht zerbröselnder Fossilien, aber die VCT war nicht dabei, muss ich in anderer Ausgabe aus der Stadtbücherei besorgt haben - findet sich: viele sind übersetzt und eingerichtet von Lothar Baier, der ein ziemlich vielseitiger und kenntnisreicher Schriftsteller war. Und diese deutschen Texte erscheinen tatsächlich recht frisch und gut lesbar - sicherlich für junge Leser damals ca. 1970 besser zugänglich als das Deutsch von 1870.

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Avatar von Christina Dongowski

Ich finde unsere unterschiedlichen Blicke auf Hans so interessant: Für mich ist er der Sympathieträger, weil er nichts spricht. Problematisch scheint mir die Beziehung zwischen Hans & dem Professor auch, mich fasziniert aber, dass Verne im Laufe der Geschichte immer öfter das wöchentliche Entlohnungsritual erwähnt (womit auch meine Frage, was Lidenbrock da unten mit dem ganzen Geld will: unter anderem Hans bezahlen). Das ist eine der sehr wenigen Gelegenheiten, wo Verne die andere materialistische Basis der Welt aufscheinen läßt, in der sich die drei bewegen. Viel offensiver um Geld geht’s zB. in Reise um die Welt in 80 Tagen. Aber vielleicht spielt Geld da eine so große Rolle, weil die Hauptfiguren fast alle Engländer sind & generell darüber nachgedacht wird, wie imperiale Verkehrswege & eben Geld (britisches Pfund, das überall akzeptiert wird) das Reisen ohne Friktion versprechen — was dann aber eben auch nicht stimmt.

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Avatar von Ulrich K Rößler

Geld ganz anderer Dimension, d.h. als grosse Investition, kommt bei Jules Verne eigentlich ziemlich häufig vor. In _De la Terre à la Lune_ gibt es ein ganzes Kapitel zur Finanzierung des großen Kanonenschusses: 'Les difficultés astronomiques, mécaniques, topographiques une fois résolues, vint la question d’argent.' Chap.12. Ganz optimistisch im Sinn einer gemeinsamen Anstrengung der Menschheit kommen hier die Finanzen durch öffentliche Subskription von Spenden zusammen. Interessanterweise spielt staatliches Engagement für Expeditionen fast nie eine Rolle - alles ist durch reiche Privatleute oder freie Assozationen finanziert. Bei den großen Unbekannten wie Nemo, Robur oder Graf Artigas kann man zwar annehmen, dass ihre Mittel irgendwie durch ihre Fähigkeiten als Ingenieure entstehen, aber wie genau bleibt meist unklar.

Später sind diese finanziellen Hintergründe dann weit trügerischer: oft erscheinen die Finanzquellen unverdient, undurchsichtig oder irgendwie illegitim in den pessimistischen oder satirischen Romanen, wie _Les Cinq Cents Millions de la Bégum_ als Erbschaft oder im Gegenstück zu _De la Terre à la Lune_ in _Sans dessus dessous_ (auf dt. Der Schuss am Kilemandscharo) als undurchsichtige, eigentlich betrügerische Landspekulation privat vorfinanziert. Sehr passend dann, dass in _La Chasse au Météore_ schließlich der sagenhafte Reichtum als purer Goldklumpen vom Himmel fallen soll.

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Avatar von Ulrich K Rößler

Mir erscheint aber das Bordbuch des Kolumbus, deutlich wichtiger für Jules Vernes Bemerkung zu sein - dessen paraphrasierte Wiedergabe in Las Casas Berichten von Martin Fernández de Navarrete wiederaufgefunden, 1826 veröffentlicht und danach in Übersetzungen allgemein zugänglich gemacht worden ist.

Da berichtet Kolumbus von seiner ersten Fahrt 1492:

'Mittwoch, den 10. Oktober.

Die Leute beklagten sich über die Länge der Reise und wollten nicht weiter gehen. Der Admiral begütigte sie soviel als möglich, indem er ihnen den Nutzen vorstellte, den sie aus der Reise ziehen werden. Er fügte aber auch hinzu, daß ihr Murren sie gar nichts nütze, da er ausgezogen sei, um nach Indien zu gehen (el habia venido à las Indias) und daß er fest entschlossen sei, mit Gottes Hülfe seine Reise ans Ziel zu führen.'

[Fernández de Navarrete, Martín: Die Reisen des Christof Columbus 1492 - 1504

Leipzig : J. C. Hinrich'sche Buchhandlung, 1890, S.22

https://www.digitale-sammlungen.de/en/view/bsb11631056?page=30]

Zwei Tage später war es dann soweit und Kolumbus' Schiffsgesellschaft sichtete Land - wichtig dabei war wohl aber doch noch dass Kolumbus bei der Belohnung für den Ausguck, des es als Erster erblickte, noch eine Seidenbluse (jubon de seda) drauflegte (ibid. S.23) - aber unserer Reisenden ist vermutlich die Aussicht auf Trinkwasser wertvoller als vage Versprechen auf eine staatliche Rente und edle Kleidungsstücke.

Eine frz. Übersetzung der Ausgabe von M. Fernandez de Navette erschien 1828 als

_Relations des quatre voyages entrepris par Christophe Colomb der 1492 a 1504_ in einer größeren Sammlung _Collection des voyages et des découvertes des Espagnols, depuis la fin du XVe sièlcle.

Die entsprechende Stelle liest sich in dieser Übersetzung in Tome II, p.37 so:

'Mercredi, 10 octobre.

La navigation continua à l'ouest-sud-ouest, en filant dix milles par heure, par momens douze milles, et d'autres fois sept; on fit, durant le jour et la nuit, cinquante-neuf lieues, dont l'amiral compta quarante-quatre, pas plus. Ici les gens de l'équipage se plaignaient de la longueur du voyage, et ne voulaient pas aller plus loin. Mais l'amiral les ranima du mieux qu'il put en leur donnant bonne espérance des profits qu'ils pourraient faire. Et il ajouta qu'au reste leurs plaintes ne leur serviraient à rien, parce qu'il était venu pour se rendre aux Indes (el habia venido á las Indias), et qu'il entendait poursuivre son voyage jusqu'à ce qu'il les trouvât avec l'aide de notre Seigneur.'

[https://www.digitale-sammlungen.de/de/details/bsb10715660]

Kolumbus als Admiral und Befehlshaber erklärt da recht genau, wie man die gewünschte Wirklichkeit herstellt - völlig unbeeindruckt von den Klagen der Besatzung - er ist der Meister.

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Avatar von Ulrich K Rößler

Und ab hier wird es nun wild - in Alejo Carpientiers letztem Roman _Die Harfe und der Schatten_ (El arpa y la sombra, 1978) wird der fiktive Prozess um die Seligsprechung des Cristobal Columbus im 19. Jahrhundert zu Zeiten des Pius IX erzählt. Unter vielen anderen Merkwürdigkeiten, wird über Kolumbus berichtet, er sei zwar nicht in Grönland, wohl aber in Island gewesen.

Schließlich tritt als unterstützender Zeuge Jules Verne - beeindruckend & würdig wir Robur der Eroberer - auf; in einer tumultartigen Szenen mit einem krakeelenden Léon Bloys und einem herumgiftenden Advocatus Diavoli. Und er darf ein paar Takte sagen "trocken und präzise wie die eines Mathematikprofessors: ' Durch diese Reise hat die Alte Welt die Verantwortung für die moralische und politische Erziehung der Neuen Welt übernommen. Aber war denn die Alte Welt mit ihren engstirnigen Ideen, ihren halbbarbarischen Impulsen, ihrem religiösen Haß dieser Aufgabe überhaupt gewachsen? ... '"

Vernes zwiespältige Fürsprache nützt dann wohl nichts und die Seligsprechung als erster Schritt zum Heiligwerden wird nicht erreicht. Für die sehr katholischen Richter spielt wohl eher eine Rolle, dass Kolumbus im 'Konkubinat' mit einer Geliebten gelebt habe - für das Urteil der Welt aber wohl eher, dass Kolumbus sofort anfing, die Einwohner der Inseln, die er zunächst für Japan hielt, zu versklaven.

Aber als neues Subgenre der Literatur böten Werke, wo Jules Verne als Figur auftritt, sicher eine neue Richtung - womöglich nicht einmal so schmal.

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Avatar von Ulrich K Rößler

Es ist in dem Kontext des 19. Jahrhunderts sehr passend, dass hier an der kritischen Stelle der Professor sagt >>'... Columbus hat von seiner Schiffsmannschaft drei Tage begehrt, um die neue Welt zu entdecken. ....' << Man kann da schon erahnen, wie Professor Liddenbrock sich sieht oder gesehen werden will.

Zu Kolumbus als Erzvater der Kolonisierung der Welt merkt die Bib. Pléd. nur an, man solle das als Verweis auf ein kleines Gedicht von Schiller wahrnehmen - das dt. Original:

Columbus.

Steure, muthiger Segler! Es mag der Witz dich verhöhnen

Und der Schiffer am Steu'r senken die lässige Hand.

Immer, immer nach West! Dort muß die Küste sich zeigen,

Liegt sie doch deutlich und liegt schimmernd vor deinem Verstand.

Traue dem leitenden Gott und folge dem schweigenden Weltmeer!

Wär' sie noch nicht, sie stieg' jetzt aus den Fluthen empor.

Mit dem Genius steht die Natur in ewigem Bunde;

Was der eine verspricht, leistet die andre gewiß.

Die Bib. Pléd. verweist auf eine frz. Übersetzung aus einer größeren Sammlung von Übersetzungen deutscher Lyrik von Gérard de Nerval von 1830 :

COLOMB

Courage, brave navigateur ! La raillerie peut attaquer tes espérances, les bras de tes marins peuvent tomber de fatigue… Va toujours ! toujours au couchant ! Ce rivage que tu as deviné, il t’apparaîtra bientôt dans toute sa splendeur. Mets ta confiance dans le Dieu qui te guide, et avance sans crainte sur cette mer immense et silencieuse. — Si ce monde n’existe pas, il va jaillir des flots exprès pour toi, car il est un lien éternel entre la nature et le génie, qui fait que l’une tient toujours ce que l’autre promet.

Aber es findet sich auch eine Übersetzung näher an Jules Vernes Zeit und die stammt von Xavier Marmier aus einer Sammlung _Poésies de Schiller_ von 1854. Marmier sind wir nun schon mehrfach begegnet.

COLOMB.

Vogue, courageux navigateur ! qu’importe que les critiques te raillent et que le gouvernail échappe à la main fatiguée du pilote ? Marche, marche vers l’occident ! c’est là que le rivage doit apparaître ! c’est là qu’il se montre déjà clairement à ton intelligence ! Fie-toi au Dieu qui te conduit, poursuis ta course sur l’Océan silencieux. Si le rivage n’était pas là, il surgirait du sein des ondes. La nature est alliée au génie par un pacte éternel : ce que le génie promet, la nature l’accomplit toujours.

Das idealistische Programm, wo die Natur den fixen Ideen der halbverrückten Professores folgt und liefert, was ausgedacht & vorgestellt wurde, ist sehr auf einen Typ (Natur)wissenschaft abgestellt, wo eine Idee entwickelt wird und dann große Maschinen gebaut werden, um es zu produzieren/nachzuweisen/herzustellen/sichtbar zu machen usf. Mal sehen, ob das auch mit Süßwasserquellen drunten im Granit funktioniert.

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